Im Ersten Weltkrieg erkrankten beim Feld- und Besatzungsheer über 600.000 Menschen an sogenannten "Krankheiten des Nervengebiets". Maria Hermes untersucht in ihrem Buch die Frage, welche Deutungen des Krieges in den ärztlichen Untersuchungsergebnissen psychischer Erkrankungen zum Ausdruck kommen. Welcher Einfluss wurde dem Krieg auf die seelische Gesundheit der Menschen zugesprochen und welche ärztlichen Auffassungen über die Ursachen seelischer Krankheit im Krieg äußern sich auf diese Weise? Welche Zusammenhänge wurden zwischen Kriegsverlauf und psychischen Krankheiten hergestellt? Wie deuteten die Ärzte seelische Gesundheit im Krieg? Diese psychiatrischen Deutungen des Ersten Weltkrieges stehen im Mittelpunkt des Buches. Mit ihren Krankheitsauffassungen nahmen Psychiater nicht nur eine individuelle Einordnung der Krankheitserscheinungen einzelner Patienten vor. Sie positionierten sich zugleich auch innerhalb der Debatte, wie der Krieg zu deuten sei. Die qualitative und quantitative Analyse der Krankenakten soldatischer sowie ziviler männlicher und weiblicher Patienten zeigt die Verknüpfungen von Medizin und Militär in einem ursprünglich zivilen Krankenhaus zwischen 1914 und 1918. Die psychiatrische Behandlung von Soldaten wird in diesem Buch erstmalig mit der Diagnostik bei zivilen Patienten verglichen. Diesen Vergleich nicht zu berücksichtigen ist ein Manko bisheriger Psychiatriegeschichtsforschung.