Kreisärzte, Medizinalräte, Amtsärzte: Geschichte und Aktualität einer Institution
Elsner, Gine
Lange Zeit gerieten die Gesundheitsämter ins Abseits, ihre Aufgaben wurden von den selbstständigen Ärzten übernommen. Seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie rufen alle danach, die vernachlässigten und kaputt ges
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parten Gesundheitsämter besser auszustatten. Gine Elsner stellt die Funktion dieser gesundheitspolitischen Institution dar und zeichnet ihre Geschichte nach. Der öffentliche Gesundheitsdienst begann im 19. Jahrhundert in Preußen mit den Kreisärzten und der Cholera. Schließlich standen den staatlichen Kreisärzten kommunale Gesundheitsamtsärzte der Gemeinden gegenüber. Denn die Städte stellten eigene Stadtärzte für ihre städtischen Hygienemaßnahmen an. Der Dualismus - Staat versus Gemeinde - führte zu Konkurrenz und Durcheinander bzw. Nebeneinander. Die staatlichen Kreisärzte waren eher konservativ bis reaktionär, die Kommunalärzte - besonders in Berlin - liberal oder gar sozialdemokratisch; vor allem jüdische Ärzte strebten in diese städtischen Positionen. Sie wurden wie die sozialdemokratischen Ärzte 1933 entlassen. Der Nazistaat vereinheitlichte das Gesundheitswesen, alle Gesundheitsämter wurden staatlich. Sie dienten nun der eugenischen »Ausmerzung«. Die Amtsärzte beantragten Sterilisationen und waren eingebunden in die Kindereuthanasie; Amtsärzte waren umfangreich für die »Erb- und Rassepflege« zuständig: für das »Ehetauglichkeitsgesetz« und für Zwangsarbeiter. Die Alliierten ließen die Gesundheitsämter weitgehend ungeschoren, denn sie brauchten sie gegen Seuchen und unzureichende Hygienebedingungen. Im Kalten Krieg wurden kollektive Gesundheitseinrichtungen als »kommunistisches Teufelswerk« angesehen und die selbstständigen Artzpraxen favorisiert. Das Gesundheitsamt geriet ins Abseits. Bis Corona kam.
Es begann mit einer Petition, die von 8.397 Beschäftigten von Charité, Vivantes und den Vivantes Töchtern unterschrieben und am 12. Mai 2021 an den Berliner Senat und die Geschäftsführungen übergeben wurde. Nac
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h 30 Tagen Streik an der Charité, 35 Tagen Streik bei Vivantes und 43 Tagen Streik bei den Vivantes Töchtern konnte der Sieg erklärt werden. Das war das Resultat einer beispiellosen gewerkschaftlichen Organisierung von Krankenhausbeschäftigten - Pflege, Funktionsdienst, Hebammen, Therapeut*innen, Reinigungskräften, Gärtner*innen, Transport, Gastronomie, Azubis und mehr - Seite an Seite. Es wurde und wird immer deutlicher, dass es keinen politischen Willen gibt, die Krankenhausfinanzierung zu ändern. Deshalb müssen es die Beschäftigten selbst in die Hand nehmen und damit Veränderung herbeistreiken. Wie und was funktioniert hat, welche Konflikte es gab und vieles andere mehr wird in diesem Buch beschrieben. Es ist keine Erzählung über die gerade in Pandemiezeiten gern beklatschten Beschäftigten, sondern in diesem Band schreiben diese selbst auf, wie sie Geschichte gemacht haben.
Charité Berlin: »Outgesourcte« Therapeut*innen erstreiten ihre Rückführung
Hrsg.:
Niemerg, Reinhold / Cerull, Maria / Mohrig, Susanne / Dulisch, Silvia
Die Rückführung der aus Deutschlands renommiertester Universitätsklinik ausgegliederten »Charité Physiotherapie und Präventionszentrum GmbH« (CPPZ) zum 1.1.2020 steht als Erfolg am Ende des Kampfes von Physioth
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erapeut*innen, Ergotherapeut*innen, Masseur*innen und Bademeistern, deren Arbeitsbedingungen sich während der Zeit der Ausgliederung stetig verschlechtert hatten. Eine Betriebsversammlung im September 2018 bildete den Auftakt zu einem insgesamt rund 50 Tage andauernden ver.di-Warnstreik, der mit der Rückführung der Beschäftigten in die Charité endete. Die Beteiligten schildern ihn aus verschiedenen Perspektiven, die eine Ahnung davon vermitteln, welch umfassende Bedeutung dieser Kampf für sie - nicht nur als Beschäftigte - hatte.
Das System von staatlichen Gewerbeärzten und Betriebsärzten wurde im Nationalsozialismus ausgebaut. Es diente der Leistungssteigerung der Beschäftigten - insbesondere unter den Vorzeichen der Kriegswirtschaft.
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Betriebsärzte waren zuständig für Zwangsarbeiter und für KZ-Häftlinge in den Fabriken.Exemplarisch wird an Biografien von Ärzten für die Region Hessen dargestellt, inwieweit diese Mediziner in das NS-Regime verstrickt waren. Gezeigt wird zudem, dass ein Neubeginn 1945 ausblieb.
Geschlechtergerechter Arbeitsschutz und Gesundheitsförderung berücksichtigen die Belange beider Geschlechter. Dafür sind geschlechtersensible Instrumente und Verfahren zu entwickeln und anzuwenden. Im Netzwerk
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"Gender in Arbeit und Gesundheit" arbeiten Vertreterinnen und Vertreter aus verschiedenen Organisationen daran, die Entwicklung einer geschlechtergerechten betrieblichen Gesundheitspolitik zu befördern, dessen Erfahrungen und Konzepte in diesem Buch vorgestellt werden.
Integration und Koordination menschengerechter Gestaltung der Arbeit
Oppolzer, Alfred
Die anschauliche Handlungshifle erscheint in aktualisierter Neuauflage. Mit ihr wird für eine stärkere Verbreitung menschengerechten Gesundheitsmanagements in Betrieben und Verwaltungen geworben. Gesundheit ist
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mehr als die Abwesenheit von Krankheit. Gesundheitspolitik und -management lassen sich daher nicht auf gesetzlichen Arbeitsschutz und betriebliche Gesundheitsförderung reduzieren. Dieser Ansatz trägt den Rechten der Beschäftigten und ihren Interessen an Schutz, Erhaltung und Entwicklung ihres Arbeitsvermögens besser Rechnung.
Die Handlungshilfe richtet sich an Betriebs- und Personalräte, Sicherheitsbeauftragte und andere Beschäftigte, Leiter von Gesundheitszirkeln sowie Betriebsärzte, Personalverantwortliche, Managementvertreter, di
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e Anregungen für Beteiligungsmöglichkeiten von Beschäftigten im Prozess des betrieblichen Gesundheitsschutzes suchen.
Ernst Günther Schenck (1904-1998): Eine deutsche Arztkarriere
Elsner, Gine
Ernst Günther Schenck (1904-1998) war einer der vielen Mediziner, die sich dem Nazi-Regime andienten. Der Sohn aus gutbürgerlichem Haus erwarb zwei Doktortitel. Nach Hitlers Machtübernahme wurde er Mitglied der
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NSDAP und der Waffen-SS. Er engagierte sich für die im »Dritten Reich« forcierte »wissenschaftliche Naturheilkunde«, bevor diese angesichts der militärischen Anforderungen gegenüber der konventionellen Medizin wieder in den Hintergrund geriet. In seiner Eigenschaft als Ernährungsfachmann beriet er während des Zweiten Weltkriegs Herbert Backe, den Staatssekretär im Ernährungsministerium, der entschied, wer im Krieg wie viel zu essen bekam. Schenck hatte Kenntnisse von Massakern an Juden in der Sowjetunion und von den Lebensbedingungen in Ostarbeiterlagern und in Konzentrationslagern. Er war zudem verantwortlich für medizinisch sinnlose Ernährungsversuche an Häftlingen im KZ Mauthausen.Ein in den 1960er Jahren deshalb gegen ihn angestrebtes Ermittlungsverfahren wurde eingestellt. Schenck gelang es mit zahlreichen Publikationen, die mediale Öffentlichkeit in der Bundesrepublik für sich einzunehmen, nicht zuletzt mit seinem Buch »Patient Hitler« von 1989. Das bislang jüngste Beispiel für die wohlwollende Rezeption ist der Film »Der Untergang« - hier wird Schenck als selbstlos für die Verwundeten der letzten Kriegstage wirkender Arzt gezeigt, ohne Hinweis auf seine Vorgeschichte.
Der Gewerbehygieniker und engagierte Gewerkschafter Franz Karl Meyer-Brodnitz (1897-1943)
Elsner, Gine / Steinecke, Verena
Mit ihrem Porträt eines engagierten Gewerkschafters und Pioniers im Bereich der Gewerbehygiene gelingt es den Autorinnen, exemplarisch an die »verschütteten Alternativen« in der Geschichte der deutschen Arbeits
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medizin zu erinnern.Franz Karl Meyer-Brodnitz, geboren 1897 als Sohn eines wohlhabenden jüdischen Bankiers in Berlin, wandte sich früh der Sozialdemokratie zu. Beim Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbund setzte er sich für eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Beschäftigten ein. Als die Nazis 1933 an die Macht kamen, wurde ihm gekündigt. 1935 wurde er in die Emigration nach Palästina gezwungen. Auch hier engagierte er sich für den Aufbau gewerbehygienischer Strukturen. Er starb 1943 viel zu früh, um noch erste Erfolge seiner Arbeit erleben zu können.
Die arbeitswissenschaftliche und -psychologische Literatur überschlägt sich in dem Bemühen, Neuerungen in der Arbeitswelt auf den Begriff zu bringen. Dabei wird auch der Angriff auf unsere Gesundheit thematisie
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rt.Indes haftet den Veröffentlichungen oft der Geruch der Anpassung an vorgegebene Förderprogramme und Sprachspiele der Auftraggeber an, die sich eine Aufrechterhaltung des Wirtschaftsstandortes im bestehenden gesellschaftspolitischen Kontext wünschen. Die so genannten Keywords (»Motivation«, »Produktivität«, »Kreativität«, »Wettbewerbsfähigkeit« u.v.m.) werden nur selten kritisch unter die Lupe genommen.Wolfgang Hien dagegen legt die Finger in die Wunden »unserer« Arbeitsgesellschaft. Er geht davon aus, dass Ziele, Zwecke und Bedingungen der Arbeitswelt nicht von »uns«, auch nicht von anonymen Marktgesetzen, sondern von Macht- und Herrschaftsstrukturen, also konkreten Akteuren der Wirtschaftseliten, bestimmt werden. Die »schöne neue Arbeitswelt« ist wenig schön und wenig neu. Bei diesem Befund bleibt Hien nicht stehen - er entwickelt Grundzüge einer anderen Arbeitskultur.
Gesundheitsförderung und Prävention in der betrieblichen Praxis
Hrsg.:
Giesert, Marianne
Im Arbeits- und Gesundheitsschutz sowie im Betrieblichen Eingliederungsmanagement wird vom Gesetzgeber die Prävention für alle Beschäftigten im Betrieb vorgeschrieben. Referenten und Referentinnen aus Betrieben
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, der Politik, der Wissenschaft sowie von Krankenkassen, Berufsgenossenschaften und staatlichen Einrichtungen berichten über Strategien und gute Beispiele von Primär-, Sekundär-, Tertiärprävention und betrieblicher Gesundheitsförderung.
Gute Arbeit und Kapitalismuskritik - ein politisches Projekt auf dem Prüfstand
Pickshaus, Klaus
Immer maßlosere Anforderungen an die Beschäftigten sind Resultat einer neuen Maßlosigkeit in der Ökonomie, die durch extreme Renditeerwartungen der Finanzmärkte angetrieben wird. Burnout und zunehmende psychisc
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he Erkrankungen gehören zur prekären Gesundheitsbilanz. Eine solche Rücksichts¬losigkeit gegen Gesundheit und Leben der Beschäftigten lässt sich nur durch gesellschaftliche Aktionen – und das sind vor allem erkämpfte Regulierungen und das Wirken der Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung – eindämmen.Das Projekt Gute Arbeit, zuerst entwickelt innerhalb der IG Metall mit dem Anspruch einer neuen Humanisierungsoffensive, stand Pate bei der erfolgreichen Revitalisierung von Arbeitspolitik. War Gute Arbeit anfangs ein ausschließlich gewerkschaftlich geprägter Begriff, so führte das erfolgreiche Agenda Setting zu seiner breitest möglichen Nutzung.Umso wichtiger ist es, die inhaltlichen Kernelemente, die strategische Ausrichtung und die zentralen Handlungsfelder zu definieren und auszufüllen. Barrieren und Chancen einer Gute-Arbeit-Initiative lassen sich auf der Grundlage einer kritischen Analyse der Rahmenbedingungen des Finanzmarktkapitalismus erkunden. Der Band bilanziert die mehr als zehnjährige Geschichte der gewerkschaftlichen Initiative »Gute Arbeit«.
Ernst Wilhelm Baader, Gewerbehygieniker und Gerichtsmediziner
Elsner, Gine
Am 14. Mai 1925 wurde am Kaiserin-Auguste-Viktoria-Krankenhaus im Arbeiterviertel Berlin-Lichtenberg eine Station für Gewerbekrankheiten unter der Leitung Ernst Wilhelm Baaders eingerichtet - das Gründungsdatum
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der modernen Arbeitsmedizin in Deutschland. Mit seiner Auffassung von der Bedeutung der Gewerbemedizin für die »wirtschaftliche und gesundheitsmäßige Rassenentwicklung« kann Baader schon 1930 in der ideologischen Nähe der späteren Machthaber verortet werden. 1933 profitierte er von der Vertreibung jüdischer Ärzte: Er wurde Chefarzt im Städtischen Krankenhaus Berlin-Neukölln, wo er nach 1934 als außerordentlicher Professor das neu eingerichtete Universitäts-Institut für Berufskrankheiten leitete.Gine Elsner hinterfragt das Selbstbild der Arbeitsmedizin, in dem deren weitgehende Kontinuität unabhängig vom politischen System behauptet wird. Ihr Fazit: Baader ist keine geeignete Person, den Posten eines »Altmeisters« der deutschen Arbeitsmedizin zu übernehmen.
Franz Xaver Koelsch (1876-1979): Bayerischer Landesgewerbearzt von der Monarchie bis zur Bundesrepublik
Elsner, Gine
Franz Xaver Koelsch diente als Ministerialrat dem bayerischen König, der Weimarer Republik, dem Naziregime und der Bundesrepublik Deutschland. Mehr als 40 Jahre lang, bis 1950, war er Beamter des deutschen Staa
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tes. Er war ein katholischer Konservativer, kein Mitglied der NSDAP, aber er verhielt sich loyal gegenüber allen Dienstherren. Franz Koelsch gilt als "Altmeister" der deutschen Arbeitsmedizin, er wird ihr "Begründer" und ihr "Vater" genannt. Wie aber sieht eine Arbeitsmedizin aus, die sich jeder Staatsform anpasst?Gine Elsners biografische Darstellung versucht eine Antwort. Ihr Fazit: Sehr innovativ war diese Arbeitsmedizin nicht. Denn Franz Xaver Koelsch hatte immer auch das Wohl der Wirtschaft im Blick. Ein Bedauern über die nationalsozialistische Katastrophe äußerte er hingegen nicht.
Drei jüdische Sozialhygieniker aus Frankfurt am Main
Elsner, Gine
Sozialhygieniker untersuchten die ungleiche Verteilung von Krankheiten und gingen den Zusammenhängen von Krankheit und gesellschaftlichen Bedingungen auf den Grund. Mit der Vertreibung, gar Ermordung vieler jüd
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ischer Mediziner in der NS-Zeit verschwand das Fach.Die jüdischen Ärzte wurden vergessen. Das gilt auch für die drei in diesem Buch beschriebenen Frankfurter Sozialhygieniker: Ludwig Ascher (1865-1942, deportiert und ermordet in Litzmannstadt/Lodz), Wilhelm Hanauer (1866-1940) und Ernst Simonson (1898-1974).
Soldaten, die sich im Zweiten Weltkrieg den Kriegsdienst entzogen, drohte die Todesstrafe, "Selbstverstümmeler" und "Simulanten" kamen vor das Kriegsgericht. Entdeckt wurden sie von Ärzten. Es waren die behande
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lnden Ärzte an der Front, die meldeten, und es waren die beratenden Ärzte, die begutachteten. Zu den Beratern gehörten während der Nazizeit alle, die in der Medizin Rang und Namen hatten.Das überraschende Ergebnis: Die Ärzte beurteilten die Selbstverstümmelung rigoroser als die Kriegsrichter. Das ärztliche Ethos wurde den militärische Zielen untergeordnet. Dabei blieb die Humanität oft auf der Strecke.
Auch Beschäftigte in sozialen Diensten brauchen Tarifverträge
Hopmann, Benedikt / Kamp, Karl / Schroeder, Klaus
In dem Berliner Unternehmen »Lebenshilfe gGmbH« werden behinderte Menschen betreut. Aber aus welchen Quellen werden diejenigen finanziert, die in solchen Unternehmen arbeiten? In diesem Buch geht es zum einen d
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arum, wie viel für Menschen aufgewendet wird, die behindert sind und wer das zahlt. Es geht aber auch um die Bezahlung derjenigen, die diese Behinderten unterstützen. Denn es kann nicht sein, dass diejenigen, die behinderte Menschen betreuen, besonders schlecht bezahlt und ihnen ihre Grundrechte verwehrt werden. Vor allem in Unternehmen, die glauben, dass sie aufgrund ihres gesellschaftlichen »Dienstauftrags« keine Tarifverträge mit Gewerkschaften abschließen müssten.Der exemplarische Kampf von »Lebenshilfe«-Beschäftigten in Berlin um ein besseres Gehalt, gewerkschaftliche Interessenvertretung und einen Tarifvertrag ist auch ein Kampf um ihre gesellschaftliche Anerkennung und damit um die gesellschaftliche Wertschätzung von sozialen Berufen.